Streitschlichtung an Schulen

Wir brauchen eine Streitschlichterkultur in Deutschland

Die Würde des Menschen ist unantastbar. So steht es im § 1 des Grundgesetzes.
Die Realität in der menschlichen Gesellschaft legt nahe, dass dieser Satz sehr oft vergessen wird. Ähnlich geht es mit den Begriffen der Gleichberechtigung und der Freiheit.

Wir sind uns nicht bewusst, wie häufig und wie sehr in den Wechselwirkungen unseres Verhaltens innerhalb der Gesellschaft die Würde des Menschen und die Gleichberechtigung durch Gewaltausübungen geschädigt werden, die Freiheit des Einzelnen eingeengt wird. Zum Teil liegt es daran, dass der Täter sich nicht ausreichend bewusst ist, dass er Gewalt ausübt. Gewalt ist vielseitig. Da sind die körperliche Gewalt und die Gewalt gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die allgemein als Gewalt erkennbar sind. Doch schon beim Mobbing und Stalking, als besondere Formen der psychischen Gewalt fällt die gewalttätige Handlung nicht unmittelbar auf. Mehr noch findet sich die verdeckte Gewalt in vielfältigen, psychisch oft fein abgestimmten Verhaltensweisen, mit denen andere herabgesetzt, diffamiert, ausgegrenzt, innerlich tief verletzt werden. Wechselwirkungen zwischen körperlicher und psychischer Gewalt sind dabei häufige Erscheinungsformen. So ist Gewalt eine allseits und in allen Gesellschaftsschichten vorkommende Erscheinung. Die Übergänge zu kriminellen Handlungen sind durchaus fließend.

Was steckt aber hinter einem derartigen Verhalten? Zunächst müssen wir uns im Klaren sein, dass es kein abnormes oder krankhaftes Verhalten sein muss und in der Regel auch nicht ist. Im täglichen Umgang der Menschen miteinander ist Gewalt jederzeit programmiert, wenn es darum geht, sich und seine Meinung durchzusetzen, wenn in einem gefühlten Machtgefälle ein Machtausgleich angestrebt wird, wenn Wünsche sehr stark sind, aber die eigene Möglichkeit, diese Wünsche zu erfüllen, nicht gegeben ist, aber auch häufig, wenn aus falsch verstandenem Freiheitsbegriff ohne Rücksicht auf Rechte und Empfinden der Anderen gehandelt wird. Letztlich ist auch Machtmissbrauch besonders schwerwiegend als Gewalt zu sehen, wenn dadurch die Position des Opfers geschwächt werden soll, das Opfer zu bestimmten Handlungen gezwungen wird oder schlichtweg übervorteilt werden soll.

Streitsituationen treten daher immer wieder auf, wobei die Konflikte oft auch eskalieren, so dass die Streitenden aus eigener Kraft sich nicht mehr einigen können. Scheinbar werden derartige Fälle immer zahlreicher und zum Teil auch immer heftiger. In den meisten Fällen können unabhängige Drittpersonen helfen, wenn sie dazu geeignet und vielleicht sogar ausgebildet sind. Mediatoren/ Mediatorinnen, Schiedsleute, Ombudsleute sind geeignet für diese Aufgaben. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten und der offenbaren Zunahme von Gewaltanwendungen werden wir in Zukunft immer mehr dieser kompetenten Streitschlichter und Streitschlichterinnen benötigen. Denn Streitschlichtung wird in der Gesellschaft vermehrt benötigt, seit im Zivilrecht die Gerichte erst Streitfälle annehmen sollen, die in der Schlichtung nicht gelöst werden können. Der Täter-Opfer-Ausgleich im Strafrecht, die Beilegung nachbarschaftlicher Streitfälle, Mediation in Paarbeziehungen (nicht bei häuslicher Gewalt) und Eheberatung sowie Streitschlichtung unter Verwandten und Freunden erfordern Beratung durch unabhängige Dritte. Auch in der Arbeitswelt sind heutzutage Mediatoren/ Mediatorinnen unverzichtbar, besonders für die dort vorkommenden Mobbingfälle. Und nicht zuletzt benötigen Streitfälle in den Schulen die Hilfe von ausgebildeten Streitschlichtern und Streitschlichterinnen. Hier ist nicht nur an streitende Schüler und Schülerinnen zu denken. Auch Konflikte zwischen Schülerschaft und Lehrkräften, Eltern und Lehrpersonal können durch die Hilfe von Mediation gelöst werden.

Diese Beratungen erfordern jedoch viel Erfahrung, Feingefühl und Empathie gepaart mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Achtung der Persönlichkeit jedes Einzelnen. Wenn also auch eine bestimmte charakterliche Voraussetzung beim Mediatoren gegeben sein muss, so ist dennoch eine entsprechende Ausbildung erforderlich. Hierfür werden von verschiedenen Organisationen Kurse angeboten. Doch in der Zukunft sollten Mediatorenausbildungen insbesondere in die Ausbildung von den Berufen integriert werden, die vielfach und intensiv mit Menschen zu tun haben. So ist daran zu denken, dass grundsätzlich eine derartige Ausbildung erforderlich ist im Studium von Erziehern, Lehrkräften, Sozialarbeitern und –pädagogen, Psychologen, bei der Polizei und Bundeswehr, aber auch in der Weiterbildung zu Meistern im Handwerk.

Zusätzlich sollten wir davon ausgehen, dass bei jeglicher Gewaltanwendung Vernunft und Verstand verdrängt sind und emotionale Kräfte die Situation beherrschen, unbewusste Impulse die Folge sind. Hiervon ausgehend ist erfolgreiche und nachhaltige Gewaltprävention bei Erwachsenen nicht mehr zu erreichen. Gewaltprävention ist bei Kindern anzufangen, sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Erziehung. So gehören in alle Kindergärten und Kitas Programme zu Gewaltprävention, die dauerhaft gestaltet werden, wie z.B. „Faustlos“. Hier werden die Grundlagen gelegt für Empathie und Mitgefühl. Auch ist zu berücksichtigen, dass Kinder bis zum Alter von etwa 12 Jahren auf der Basis ihrer bisher entwickelten Hirnfunktionen eher emotional und unbewusst, spontan handeln, als dass sie ihre Handlungen bewusst und vernunftgesteuert regeln können. In Zuständen starker Erregung gilt das ja auch bei den meisten Erwachsenen.

Die Erfahrungen in Grundschulen zeigen durchweg, dass Schülerinnen und Schüler der 3. Klasse bereits geeignet sind, als Streitschlichter ausgebildet zu werden und in der 4. Klasse zu fungieren. Sie bringen ihre Erfahrungen und erlernten Fähigkeiten dann in die weiterführenden Schulen mit. So ist die Ausbildung von Streitschlichtern in allen Grundschulen in den 3. Klassen wünschenswert und sinnvoll, um so eine bereits fundierte Basis für eine Streitschlichterkultur in unserer Gesellschaft zu bekommen. In den weiterführenden Schulen können dann diese Erfahrungen weiter ausgebaut und genutzt werden, auch dadurch, dass weitere Schülerinnen und Schüler mit einbezogen werden in die Streitschlichtungen.

Die Ausbildung der Streitschlichter in den Schulen erfordert jedoch, dass mindestens 2-3 Lehrkräfte als Mediatoren ausgebildet werden, die die Schülerausbildung dann übernehmen können. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn möglichst viele Lehrkräfte jeder Schule eine derartige Mediatorenweiterbildung absolvieren würden. Eine nachhaltige Klimaverbesserung lässt sich dadurch an vielen Schulen erreichen. So ist die Politik gefordert, die Mediatorenausbildung in das Pädagogikstudium zu integrieren, wie es z.T. bereits auch angeboten wird, bisher allerdings nur freiwillig. Zunächst bieten u.a. folgende Institutionen Hilfe an: Brückenschlag in Lüneburg, Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation, Lions-Quest, die alle über das Internet erreichbar sind. Im Internet finden sich auch zahlreiche zusätzliche Informationen zum Thema Streitschlichter.

Alle Schulen sind aufgerufen, die Basis für eine Streitschlichterkultur in unserer Gesellschaft zu schaffen.

(Dr. Theodor Fründt, Buchholz i.d.N.)

Streitschlichterkultur (PDF), 01.12.2010

Berichte über die Streitschlichter an den Schulen im Landkreis Harburg (PDF), 04.06.2011

Berichte über die Gewaltprävention in den Schulen im Landkreis Harburg (PDF), 02.04.2012

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